Der Patron, der die Schweiz auf den Knuspergeschmack brachte

Hans-Heinrich Zweifel (1933 – 2020)

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Erhielt man von ihm einen Anruf, dann meldete er sich stets mit den Worten: «Da isch Zwiifel – dä HaHa». Selbstverständlich bezog sich dieses HaHa auf seine Initialen, doch wer Hans-Heinrich Zweifel näher kannte, für den stand dieses HaHa immer auch als Sinnbild für dessen grossartigen Humor. Dieser prägte seine Persönlichkeit, verlieh all seinem Tun eine heitere Note und machte aus ihm nicht zuletzt einen begnadeten Witze-Erzähler und gekonnten Verse-Schmid.

Firmenintern hiess Hans-Heinrich Zweifel kurz und bündig HHZ, und so soll er fortan auch in diesem Nachruf genannt werden. HHZ erblickte am 18. März 1933 das Licht der Welt. Sein Vater Heinrich Zweifel stand dem familieneigenen Betrieb vor, Mutter Hanna, geborene Frank, führte den grossen Haushalt mit Kindermädchen und Köchin. 1936 schenkte sie HHZ einen kleinen Bruder namens Paul. Die Brüder ergänzten sich im Charakter und in ihren Fähigkeiten aufs Idealste und nicht zuletzt diese Symbiose war es, welche die Zweifel-Unternehmungen zu einer unvergleichlichen Erfolgsstory werden liess.

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Das Elternhaus der beiden stand und steht noch immer mitten in Höngg und war umgeben vom weitläufigen Firmengelände. Die Mosterei Zweifel diente den Buben als riesiger Robinson-Spielplatz. Manch brüderlicher Schabernack wurde da getrieben, oft unter tatkräftiger Mithilfe der hemdsärmeligen Mosterei-Arbeiter. Eine unbeschwerte Kindheit also, wäre da nicht der Krieg gewesen. Schon als Bub imponierte HHZ der britische Premier Winston Churchill, jene Schlüsselfigur im Kampf gegen Hitler. Er bewunderte den Mut, das strategische Geschick, die Eloquenz und nicht zuletzt den Humor des überragenden Politikers. So wurde Churchill für HHZ zum lebenslangen Idol. Gerne und oft zitierte er später Churchills Maxime «No Sports!» - und legte die kurze Strecke zwischen Wohnung und Büro konsequent im Auto zurück.

Ein weiteres Vorbild war der Kleinjogg genannte Rümlanger Musterbauer Jacob Gujer, welcher im späten 18. Jahrhundert mit Kreativität, Unternehmergeist und Zivilcourage über die Landesgrenzen hinaus berühmt und gar von Goethe besucht worden war. Just auf Kleinjoggs Hof hatte 150 Jahre später Hans Meier, ein Cousin des Vaters von HHZ, damit begonnen, dünne Kartoffelscheibchen zu frittieren und zu würzen. Kaum war Meier darangegangen, das Produkt bekannt zu machen und an Gaststätten sowie Lebensmittelläden der Umgebung zu verkaufen, starb er unerwartet und die Zweifels integrierten daraufhin seinen Kleinbetrieb in ihre Mosterei. Chips machen ja bekanntlich Durst. Heute sind Chips aus dem Hause Zweifel mehr als nur ein Snack. Wie Aromat, Ovomaltine oder Rivella gehören sie quasi zum kulinarischen Erbe der Schweiz.

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Doch dies war nicht immer so und in den fünfziger Jahren wussten Herr und Frau Schweizer noch gar nicht, was Chips sind… HHZ musste in den schwierigen Anfangsjahren zuerst die Technologie für industrielle Kartoffelchips-Produktion studieren und umsetzen, geeignete Kartoffeln dazu finden oder sogar deren Züchtung in die Wege leiten und schliesslich auch das Marketing für dieses noch kaum bekannte Produkt entwickeln. Er startete mit einem Werbefeldzug im wahrsten Sinne des Wortes und liess Samstag für Samstag mit zehn Zweifel-VW-Bussen Chips-Müsterchen verteilen – denn «ein Biss sagt mehr als 1000 Worte». So enthusiastisch der Unternehmer seine Konsumenten umgarnte, so entschieden und unkonventionell bekämpfte er die Konkurrenz. Als die italienische Firma PAS 1962 im Tessin eine Zweigniederlassung eröffnete, betrieb HHZ unter vollem körperlichem Einsatz gar Werkspionage. Als Folge davon rüstete er kräftig auf; mit hunderten Verkaufsregalen, vergrössertem Werbebudget und schweizweitem Frisch-Service. In den folgenden Jahrzehnten wuchs das Unternehmen rasant, baute 1969/70 eine eigene grosse Fabrikationsanlage in Spreitenbach und wurde zum damals modernsten und leistungsfähigsten Chips- und Snacks-Hersteller Europas. Der Rest ist Geschichte…

Natürlich war der Werdegang von HHZ sowohl privat als auch beruflich kein Sololauf. Bekanntlich steht hinter jedem erfolgreichen Mann eine starke Frau: Lilianne Zweifel, geborene Ernst, war seine grosse Liebe, wichtigste Stütze in allen Lebenslagen und treue Begleiterin durch Dick und Dünn. Geheiratet hatte man 1958 – just im Gründungsjahr der Zweifel Pomy-Chips AG. Da war HHZ 25 Jahre alt und hatte gerade sein Studium an der ETH als Ingenieur Agronom beendet. Die fröhliche und energiegeladene Lilianne schenkte ihm in den folgenden Jahren eine Tochter, zwei Söhne und ihre volle Aufmerksamkeit.

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Stets stand der Mensch und standen insbesondere die Mitarbeitenden im Mittelpunkt des Wirtschaftsdenkens von HHZ. Er begegnete ihnen auf Augenhöhe, ihr Wohlergehen lag ihm am Herzen und die Erhaltung des Unternehmens und damit der Arbeitsplätze war ihm oberste Richtlinie. Schon früh hatte er ein fortschrittliches und grosszügiges Mitarbeiter-Beteiligungssystem eingeführt, wusste aber auch mit Rat und Tat zu motivieren. Seine Begeisterung wirkte ansteckend und HHZ verstand es immer, Talente zu wecken und Leute um sich zu scharen, die unter seiner Führung förmlich über sich hinauswuchsen. Stellvertretend für so viele soll hier der legendäre Marketing-Direktor Heinrich «Heimei» Meier genannt werden.

HHZ war Geschäftsmann und Unternehmer mit Leib und Seele. Daneben war er aber auch immer ein lebens- und festfreudiger Genuss- und Gemütsmensch. Er war sowohl modern als auch traditionsbewusst, sowohl weltläufig als auch heimatverbunden. Er war langjähriger Zunftmeister der Zunft Höngg, engagierte sich in verschiedenen Gremien der Lebensmittel-Wirtschaft, der Landwirtschaft und der Hochschule, und war insbesondere auch in den Kommissionen der European Snack Food Association sowie der Snack Food Association in den Vereinigten Staaten aktiv.

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Auch im Alter hatte HHZ nichts Verstocktes und Verhocktes, sondern bewahrte sich eine gedankliche Lebendigkeit und erfrischende Offenheit. Weder privat noch beruflich hatte er sich je einen GPS der Gewohnheit zugelegt, sondern war immer mit freimütiger Aufgeschlossenheit durchs Leben gegangen. HHZ hat uns ein visionäres und verantwortungsvolles Unternehmertum vorgelebt. Er verkörperte das Nobelste und Beste, was einen Patron ausmachen kann! So sind wir ihm dankbar, dass er uns dieses Beispiel gegeben hat, und werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.

In den letzten Jahren war er dem Tod oft von der Schippe gesprungen, aber am 2. November 2020 hat sein Herz endgültig aufgehört zu schlagen. Inzwischen sitzt HHZ wohl irgendwo im Paradieswinkel, und um ihn herum geht es heiter zu und her. Wir werden ihn vermissen.

 

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